Viele Profi-Investoren am Immobilienmarkt ziehen ihr Geld aus Großbritannien ab und suchen auf dem Kontinent nach Alternativen. Deutschland dürfte zu den Profiteuren gehören.

Geht es nach Alexander Kropf, ist der Brexit schon in vollem Gang. Allerdings nicht in der Politik, wo die Verhandlungen zwischen London und Brüssel noch gar nicht richtig begonnen haben. Sondern am vermeintlich trägen Immobilienmarkt.

Kropf ist Deutschland-Experte bei der Beratungsagentur Cushman & Wakefield und hat einen genaueren Blick auf die großen Geldströme im ersten Quartal dieses Jahres geworfen. Das Ergebnis: Die Investoren in Großbritannien bekommen kalte Füße. Sie ziehen ihr Geld ab und verschieben es in andere Länder. Vor allem nach Deutschland. „Offenbar erweist sich Deutschland für Investoren angesichts der erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen von Großbritanniens Brexit-Entscheidung auf Europa als der im Vergleich deutlich sicherste Hafen“, stellt Kropf fest.

Eine Zahl soll das illustrieren: Laut Cushman & Wakefield hatten alle Transaktionen am gewerblichen Immobilienmarkt in Deutschland in den ersten drei Monaten des Jahres einen Wert von 16 Milliarden Euro. In Großbritannien seien es nur noch 11,6 Milliarden gewesen. Bereits im vergangenen Jahr hatte Deutschland den britischen Markt von Platz eins verwiesen. Jetzt ist der Vorsprung noch gewachsen.

Deutschland verspricht für die nächsten Jahre Stabilität auf dem Immobilienmarkt

Normalerweise gilt das Geschäft mit Immobilien als träge und etwas angestaubt. Doch wenn es darauf ankommt, reagieren die Profi-Investoren schnell. Schließlich sind sie für hohe Summen verantwortlich und müssen für enorm langfristige Entscheidungen den Kopf hinhalten. Zudem haben sie zumindest teilweise aus der Immobilien- und Finanzmarktkrise gelernt und setzen im Zweifel auf politisch und wirtschaftlich stabile Standorte.

So erwarten die Experten laut Cushman & Wakefield bis 2021 einen Anstieg der Büromieten allein in Berlin um 3,6 Prozent – und zwar in jedem einzelnen Jahr. Ein solcher Wert ist auf der britischen Insel zurzeit nicht in Sicht. Auch in Frankfurt werden die Experten optimistischer und erwarten jährliche Steigerungsraten von 1,6 Prozent.

Dies sind jedoch nicht die einzigen Grundlagen, auf denen die Entscheidungen der Top-Investoren beruhen. Insgesamt verspricht Deutschland mit einem erwarteten Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent für die nächsten Jahre sowie einem Job-Zuwachs von jährlich knapp 0,2 Prozent Stabilität. Das wiederum hebt die Chancen bei Einzelhandelsimmobilien und am Wohnungsmarkt. Denn wer mehr verdient, kann auch mehr einkaufen und eventuell auch höhere Mieten zahlen.

Viele Institute brauchen neue Banklizenz

In den letzten Tagen verdichteten sich erneut die Anzeichen dafür, dass mehr Banken-Jobs aus London abgezogen werden könnten als gedacht. Zum einen wurde bekannt, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Europäische Bankenaufsicht von London nach Frankfurt/Main locken will. Außerdem haben sich schon mehr als 20 Banken bei der deutschen Finanzaufsicht BaFin gemeldet und Interesse an einem Standort in Frankfurt bekundet. Viele Finanzinstitute brauchen eine neue Banklizenz für das künftige Geschäft in der Europäischen Union und müssen eine Geschäftsstelle innerhalb deren Grenzen eröffnen.

Jetzt wurde eine weitere Zahl bekannt, bei der die Alarmglocken in den Investmentabteilungen von Versicherungen, Pensionskassen und Banken geklingelt haben dürften: Den Marktanalysten der Agentur INREV zufolge brachen die Renditen für Immobilienfonds in Großbritannien 2016 auf einen Minuswert von 12,1 Prozent ein. Selbst in britischen Pfund gerechnet, gab es einen Rückgang von zwölf auf nur noch zwei Prozent. Einen vergleichbaren Wert gab es letztmals zu den Hochzeiten der Finanzkrise. In Deutschland dagegen steigen die Renditen seit Jahren – zwar nur einstellig, aber stabil.

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